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lauantai 1. heinäkuuta 2017

Die Rolle der deutschen Sprache unter finnischen Rechtsextremisten

Die Rolle der deutschen Sprache unter finnischen Rechtsextremisten hat sich natürlich seit meinen Jugendjahren sehr verändert, besonders deshalb, weil die Sprachkenntnisse der Finnen immer einseitiger geworden sind. Im Prinzip kann es nicht mehr erwartet werden, dass ein einigermassen gebildeter Finne des Deutschen mächtig wäre. Alles war besser, als ich jung war (so sagt ja jeder Fünfzigjährige, nicht wahr?) - damals kam es durchaus oft vor, dass Leute mit Ingenieur- oder naturwissenschaftlicher Ausbildung sowohl Englisch, Schwedisch als auch eine dritte Sprache (meistens Deutsch, wie es in Finnland traditionell und üblich war) beherrschten - wenigstens gut genug, um Fach- und Sachliteratur zu lesen. Wenn man heute eine andere Sprache als Englisch sprechen und schreiben kann, wird es aber als Sonderkenntnis eingestuft - etwas Berufliches, nicht etwas Zusätzliches. Wer in Finnland Deutsch spricht, ist Germanist oder deutscher Abstammung, und wer Ingenieur ist, spricht kein Deutsch, wenn er nicht deutscher Abstammung ist.

In den siebziger Jahren, als ich noch Kind war, haben die meisten jungen Finnen die ersten deutschen Vokabeln aus ursprünglich englischen Kriegscomics gelernt, die bei uns unter dem Titel "Korkeajännitys" erschienen. Soweit ich weiss, hiessen die ursprünglichen englischen Comichefte so etwas wie "Commando", aber ich muss zugeben, dass ich nicht besonders vertraut mit den Hintergründen der finnischen Hefte bin. Es gab mehrere Reihen, in denen sich die Ereignisse in verschiedenen Milieus abspielten, wie etwa in der nordafrikanischen Wüste oder in der Luft, und vermutlich trugen die englischen Vorbilder dieser Reihen verschiedene Titel - die Sammelbezeichnung "Korkeajännitys" war ein Einfall des finnischen Herausgebers. (Auf der Wikipedia-Seite über "Commando" heisst es, dass es eine "Schwesterreihe" unter dem Titel "Starblazer" gab, in der es nicht um den zweiten Weltkrieg ging, sondern um Zukunftsabenteuer, Science-Fiction und Krieg gegen Ausserirdische - es war vermutlich diese Reihe, die in Finnland als "Avaruuden Korkeajännitys", d.h. Korkeajännitys des Weltalls, gedruckt wurde.)


"Korkeajännitys" ist übrigens eine Art Kalauer oder Wortspiel. Hochspannung als elektrotechnischer Begriff heisst "korkeajännite" auf Finnisch, denn das Wort für elektrische Spannung (Potentialunterschied) ist "jännite", aber das Wort für Spannung im Sinne von Nervenkitzel, thrills, lautet "jännitys". Im Volksmund erhielten die Hefte den Spitznamen "Korkkari", und "korkkarisaksa" oder Korkkari-Deutsch bezeichnet die Deutschbrocken, die in den Korkkari-Heften zu lesen waren. 


Meistens waren es natürlich nur Einzelwörter, wie das allgegenwärtige "Achtung!", aber jeder, der mehr als oberflächlich mit der Korkkari-Welt vertraut ist, erinnert sich noch wenigstens an einen vollständigen Satz, der auf den Korkkari-Seiten zu lesen gewesen ist. Da waren die englischen Helden gleich dabei, eine deutsche Wachstube zu stürmen, den Posten draussen hatten sie schon umgelegt, und die Männer, die in der Stube schliefen, waren von diesem Lärm geweckt worden. Von drinnen waren die Worte "Teufel! Was ist los?" zu hören - allen Lesern längst vertraut. Einer der Engländer, sowohl sprachbegabt wie geistesgegenwärtig, antwortete auf Deutsch (Wort für Wort zitiert): "Nichts, ich habe nur gestolpert und meine Waffe ist gefallen."


Da diese Comics englischer Machart waren, verkörperlichten sie die englische Perspektive auf den zweiten Weltkrieg. "Krauts" waren natürlich Feinde, aber eine gewisse Differenzierung von guten und schlimmen Deutschen kam durchaus vor. (In denjenigen Heftreihen, in denen Japan der Feind war, ging es viel rassistischer ab - die "Japsen" wurden meistens als roboterähnliche Killermaschinen ohne Individualität geschildert, obwohl es auch hier zuweilen Ausnahmen gab). Neben fanatischen Nazis gab es auch Berufssoldaten mit Ehrgefühl und Kriegsflieger, die sich mit englischen Kollegen solidarisierten, und zuweilen wurde auch die politische Unterdrückung von Andersdenkenden im NS-Totalitarismus thematisiert.


Aus finnischer Sicht war natürlich diese englische Perspektive problematisch. Finnland war in den Zwischenkriegsjahren sehr prodeutsch orientiert: die bourgeoisen Parteien in Finnland sahen Hitlers Machtübernahme als nationale Auferstehung Deutschlands aus den Ruinen und als Beseitigung der Versailler Schmach. Interessanterweise identifizierten sich die bourgeois stimmenden Finnen eher mit Deutschland als etwa mit Polen, dessen neue Selbständigkeit ohne diesen "Schmachfrieden" nicht möglich gewesen wäre. Man hätte erwarten können, dass mehr Leute bei uns die Ähnlichkeiten zwischen Polen und Finnland erkannt hätten - beide Staaten haben schliesslich ihre Selbständigkeit am Ende des ersten Weltkriegs oder gleich danach errungen bzw. (im Falle Polens) wiedererrungen, nach einer jahrhundertelangen Unterjochung durch ein fremdes Imperium, oder im Fall Polens mehrere Imperien (das deutsche Kaiserreich, die Donaumonarchie und das zaristische Russland - Finnland war ein autonomes Grossfürstentum des russischen Kaisers).


In der finnischen Geschichte nimmt der Bürgerkrieg den Platz des Befreiungskrieges an. In den Jahren des ersten Weltkrieges kämpften finnische Freiwillige in der kaiserlichen deutschen Armee mit, um Kriegserfahrung zu erwerben, die ihnen später, in einem künftigen Freiheitskrieg, zustatten käme. Das Kaiserreich war bereit, die finnischen "Pfadfinder", wie sie zunächst genannt wurden, zu Soldaten auszubilden, da die Selbständigkeitsbestebungen Finnlands geeignet waren, Russland - Deutschlands Widersacher im ersten Weltkrieg - von innen zu schwächen. Es war auch das Ziel der Deutschen, das künftige selbständige Finnland zu einem Satellitenstaat zu machen.


Während die Pfadfinder Krieg führen lernten, spitzten sich gesellschaftliche Konflikte in Finnland zu, und schliesslich gab es einen Bürgerkrieg zwischen der Rechten und der Linken. Wie es in ähnlichen Situationen üblich ist, wurden Gräueltaten von beiden Seiten begangen, aber mit der Unterstützung der Jägertruppen, wie sich die finnischen Freiwilligen inzwischen nannten, und deutschen Interventionstruppen unter Rüdiger von der Goltz' Führung brachten die Weissen Garden es schliesslich fertig, die Roten zu bezwingen. Die überlebenden Rotgardisten wurden in brutalen Konzentrationslagern interniert, und viele wurden hingerichtet oder starben an Hunger oder Krankheiten, aber trotzdem brachten es die Finnen bald danach fertig, eine einigermassen funktionierende demokratische Republik zu gründen, was natürlich an der starken legalistischen und konstitutionalistischen Tradition lag.


Die Geschichte des selbständigen Finnland wird gern als die Geschichte der Heilung jener Wunden gesehen, die dieser Krieg in der finnischen Volksseele hinterliess. Keine der zwei Seiten im finnischen Bürgerkrieg kann als tadellos gelten: einerseits hätte ein roter Sieg zwangsläufig zu einer Wiedervereiningung Finnlands mit dem inzwischen bolschewistischen Russland geführt, andererseits ging die Rache der Weissen an den Rotgardisten so weit, dass kaum etwas Vergleichbares in einem europäischen Land bisher stattgefunden hatte (hier muss daran erinnert werden, dass die Schrecken der grossen Totalitarismen erst ein paar Jahrzehnte später aktuell wurden). 


Gleich nach der Jahrtausendwende sah es aus, als wäre das ewige (und ewiggestrige) Gegeneinander von Weiss und Rot endlich verschwunden und überwunden. Denkste. In der Tat scheint es, dass es in Finnland immer noch zu viel Leute gibt, deren Selbstbild und Weltverständnis völlig abhängig von diesem Gegeneinander ist. Folglich begannen sie zu einem Gegenangriff zu rüsten, auf den die Wiederauflebung der radikalen Rechten in Finnland vor zehn Jahren teilweise zurückzuführen ist, obwohl da natürlich auch internationale Faktoren mitgespielt haben, wie etwa die russische Unterstützung der reaktionären Rechten im ganzen Westen.


Als die faschistoide Rechte im allgemeinen eine Renaissance erlebte, wurden auch "deutschgesinnte" Rechtsradikale stärker. Die "Deutschgesinntheit" - das heisst, die Selbstidentifizierung mit dem Nazismus und mit Nazi-Deutschland - hatte in früheren Zeiten das Wenigste zur Popularität finnischer Rechtsextremistencliquen beigetragen - eher im Gegenteil, denn die in den 90er Jahren aktive Gruppe, die sich "Der Arische Germanenbruderbund" nannte (finnisch: "Arjalainen Germaani Veljeskunta" - eigentlich wäre es korrekt gewesen, "Arjalainen Germaaniveljeskunta" zu schreiben, aber die extreme Rechte beherrscht auch in Finnland die Rechtschreibung ihrer Muttersprache schlechter als die des Englischen), wurde völlig ausgelacht. Der Status der Finnen als "Arier" war ja in der NS-Zeit kaum unangefochten, weil wir eine "östliche", finnougrische Sprache sprechen und einige finnougrische Ethnien der Sowjetunion sehr "mongolisch" aussehen. Ausserdem, wie der führende Intellektuelle der finnischen Zwanziger- und Dreissigerjahre des 20. Jahrhunderts, Olavi Paavolainen, in seinen Kriegserinnerungen erwähnte, wurden einige Aspekte unserer Volkskultur von unseren NS-deutschen Waffenbrüdern als etwas Mongolisches abgetan, so etwa die karelischen Klageweiber. (Paavolainen selbst war in Karelien aufgewachsen - die erste Sprache, die er in seiner Kindheit hörte, war Russisch, und deshalb kränkte die Einstellung der Waffenbrüder ihn persönlich. Übrigens existierte die Tradition der Klageweiber auch im deutschen Schlesien, so behauptete wenigstens Horst Bienek, über den ich einst meine Magisterarbeit geschrieben habe.)


Unter der geistigen Führung Jussi Halla-ahos, eines gelehrten Slawisten und Bloggers, der, teilweise dank seinem akademischen Prestige zu einer charismatischen Führergestalt innerhalb der extremen Rechten emporgestiegen, die bisher sehr zerstrittenen rechtsradikalen Kräfte Finnlands einte, haben sich auch deutschgesinnte Rechtsradikale zur Partei der "Wahren Finnen" angeschlossen. Ein jetzt schon ehemaliger Abgeordneter der Wahren Finnen, James Hirvisaari, hat einige deutschgesinnte Rechtsradikale eingeladen, das Parlament zu besuchen, aber sogar die Partei der Wahren Finnen fand es ein bisschen zu bunt getrieben, wie offen und unverschämt diese Besucher den Hitlergruss machten. Schliesslich ist Hirvisaari aus der Fraktion der Wahren Finnen ausgetreten, und in den nächsten Wahlen hat er die Unterstützung der Partei verloren und konnte die Wiederwahl nicht erreichen.


Hirvisaari hat sich seitdem zurückgezogen und lebt in seinem Heimatdorf Asikkala, von wo her er gelegentlich seinem Gram und seiner Verbitterung in den sozialen Medien Ausdruck gibt. Vor ein paar Jahren äusserte er sich - in deutscher Sprache - wie folgt zu den finnisch-deutschen Beziehungen:


Deutschland und Finnland sind uber [!] alles. Deutschland hat Finnland frei gemacht. Vielen Dank!


Man könnte sich ja über diese pidginisierten Deutsch-Brocken lustig machen (der arme Mensch hat ja nicht einmal das ü auf seiner Tastatur gefunden!), aber ich bevorzuge, sie ernstzunehmen und zu interpretieren. Dass Hirvisaari nur über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügt, überrascht niemanden, denn ein typischer "deutschgesinnter" Finne kennt sich weder in der deutschen Sprache noch in der deutschen Kultur besonders gut aus. Eher sind seine Kenntnisse auf das Korkkari-Deutsch eingeschränkt - denn würde er etwas mehr von der deutschen Kultur wissen, so wäre ihm auch bekannt, wie antifaschistisch eingestellt die meisten Deutschen sind.


Stattdessen versucht er, in einer Phantasiewelt zu leben, wo Deutschland immer noch nazistisch ist und deshalb auch willens, in Finnland eine ebenfalls faschistische Gesellschaftsordnung zu errichten. In dieser Gesellschaft würde seinesgleichen dann den germanischen Oberherren als Schuhputzer dienen. Nein, nicht als Schuhputzer, sondern als Askari.


Askari bedeutet im Prinzip einen Afrikaner, der in den Kolonialtruppen des deutschen Kaisers als Soldat dient. Im Zweiten Weltkrieg aber nannten Deutsche die hilfswilligen Osteuropäer, die am Holocaust teilnahmen, "Askaris" - der rassistische Subtext sollte niemandem entgehen. 


Der Traum dieser "deutschfreundlichen" Finnen wäre es, in einem neuen Holocaust unter deutscher Führung als ebensolche Askaris mitzuwirken. Dass sie Deutsch nie über diese Brocken hinaus lernen, liegt nicht daran, dass sie unbegabt oder faul wären - Hirvisaari soll Theologie studiert haben, und ein anderer Rechtsextremist, der mit der symbolischen Verwendung von Deutschbrocken brillierte, ist Jurist. Die Sache ist die, dass diese Leute nichts von der deutschen Sprache und Kultur über diese Brocken hinaus wissen wollen, um ihre Phantasien nicht von der Wirklichkeit widerlegt zu sehen. Sie wollen sich mit der Rolle von Askaris zufriedengeben - als unterlegene Komplizen, denen es nicht vergönnt ist, die Sprache der Herrenrasse zu lernen.