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torstai 28. huhtikuuta 2005

Lisensiaattityön johdanto. Esillä rajoitetun ajan.

Diese Arbeit beschreibt die Verwendung, Funktion und symbolische Bedeutung polnischer Wörter, Ausdrücke und ganzer Äusserungen in der oberschlesischen Tetralogie des Schriftstellers Horst Bienek, die aus den Romanen Die erste Polka, Septemberlicht, Zeit ohne Glocken und Erbe und Feuer besteht. Es ist die Geschichte zweier Familien, die die Geschichte des Dritten Reiches, sowohl Triumph wie Tragödie, aus der Sicht der ehemaligen Ostgebiete erleben – eine Konstellation, die dem Autor erlaubt, den moralisch mehrdeutigen Charakter des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa ausführlich zu illustrieren.

Wie es im Vorwort eines angelsächsischen Nachschlagewerkes zum Zweiten Weltkrieg heisst, ist der Begriff eines einzigen, monolithischen ”Zweiten Weltkrieges” schon an und für sich vor allem eine angelsächsische Interpretation der Geschichte (”basically an Anglo-Saxon interpretation of events” ): aus angelsächsischer Sicht hatte der Krieg eindeutig definierbare Helden und Halunken und wurde sowohl in der zeitgenössischen Propaganda wie auch in späteren Erinnerungen als Kreuzzug der Demokratie gegen Diktatur empfunden. Die osteuropäische Perspektive dagegen ist die Perspektive zwischen zwei Feuern und zwei Totalitarismen, wobei der Krieg den Charakter eines tragischen Dilemmas annimmt: der Mensch entscheidet sich für eines der zwei Übel und/oder/d.h. hofft, dass beide sich gegenseitig vernichten oder wenigstens dermassen schlimm zurichten, dass kleine Völker dazwischen wieder frei atmen dürfen.

Die ”angelsächsische Interpretation” des Zweiten Weltkriegs hat jahrelang als die Wahrheit über den Krieg und der Krieg der Westalliierten gegen Hitler-Deutschland als der wesentliche Zweite Weltkrieg gegolten – dank ihrer hegemonischen Stellung als Exporteure massenhaft vermarkteter Kulturprodukte haben die Amerikaner es fertiggebracht, ihre eigene populäre Vorstellung vom Krieg auch im Ausland in Geläufigkeit und weitgehend in ebenfalls hegemonische Stellung zu bringen wie bei sich zu Hause. Diese Interpretation verdankt ihrer Popularität mehreren an sich verständlichen Gründen, und es soll ausdrücklich davor gewarnt werden, sie pauschal als Ausschlag eines amerikanischen Kulturimperialismus abzutun. Dass die Amerikaner sich selbst die moralisch gehobene Rolle als Bezwinger einer absolut bösen, rassistischen Diktatur gern zuschreiben, ist nicht nur im Lichte jener nationalen Selbstgefälligkeit verständlich, die nun mal zur menschlichen Erbsünde gehört, sondern ist auch der sozialen Kohäsion wegen ein notwendiger Teil des nationalen Mythos der Vereinigten Staaten, eines multiethnischen Einwandererstaates, wo rassistisch motivierte Konflikte verbreitet und viele Menschen immer noch wegen ihrer Hautfarbe benachteiligt sind: unter diesen Umständen gibt es keinen Anlass, sich darüber zu verwunden (geschweige denn lustig zu machen), dass viele Amerikaner so eifrig der Heldensage über weisse und schwarze, protestantische, katholische und jüdische Amerikaner zusammen gegen Hitler huldigen. Sie brauchen diese Heldensage immer noch, um neue Einwanderergruppen in ihre Gesellschaft integrieren zu können; und da die westeuropäischen Länder – diejenigen, in denen das Ende des Zweiten Weltkrieges eine eindeutige Befreiung war und wo der amerikanische Befreiermythos durchaus ernstzunehmen ist, - jetzt im Begriff sind, sich in ähnliche Einwandererländer zu verwandeln, bleibt nur festzustellen, dass die Amerikaner auch viel weniger brauchbares Kulturgut hätten exportieren können.

Die angloamerikanische Interpretation war aber nicht die ganze Wahrheit. Was sich in Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges (und danach) ereignete – was wir von hier an das Osteuropäische Kriegserlebnis nennen können – konnte nicht im Rahmen der populären angloamerikanischen Interpretation verstanden werden und musste in den westeuropäischen Staaten deshalb in den Hintergrund treten. Zuweilen wurde es von der Rechten zu Propagandazwecken – zur Dämonisierung der Sowjetunion und dadurch zur Diffamierung der einheimischen Linken oder auch beim Widerstand gegen Entspannungs- und Abrüstungsinitiativen – ausgenutzt, aber hierdurch konnte die Rechte nur erreichen, dass Solidarität mit Osteuropa an sich mit rechter Scheinheiligkeit gleichgesetzt wurde: mit konservativen Politikern etwa, die sich zwar um die mangelnde Pressefreiheit im Osten mächtig Sorgen machten, denen aber dieselbe Freiheit zu Hause zu bunt getrieben schien.

So wie ich dieses “osteuropäische Kriegserlebnis” verstehe, besteht es nicht nur im tragischen Dilemma zwischen Hitler und Stalin während des Krieges, in den Ausschweifungen der einrückenden Roten Armee und in der daraufhin allmählich eingeführten Diktatur nach sowjetischem Vorbild, - sondern auch, und vielleicht vor allem, in der massenhaften Deportierung und dem daraus resultierenden Heimatverlust. Unfreiwillige Bevölkerungsbewegungen sind in Osteuropa während des Krieges und in den Jahren danach in einem Ausmass durchgeführt worden, das ebenfalls anachronistisch und unwirklich wirkt wie selbst die Dimensionen der Massenmorde, Vergasungen und “Säuberungsaktionen” der beiden im Krieg beteiligten modernen, totalitären Diktaturen. Der Verlauf der Grenzen wurde im Osten radikal verändert: es fällt auf, dass sogar vermeintliche Siegerländer in Osteuropa territorialchirurgischen Massnahmen anheimgefallen sind – etwa die Tschechoslowakei, die ihre karpatisch-ruthenischen Ostgebiete an die Sowjetukraine verlor. Als wichtige Unterkategorie der Deportierung ist die Massenverhaftung potentieller oder wirklicher Oppositioneller in den sowjetischen Besatzungsgebieten zu verstehen, da es meistens zur Routine solcher Verhaftungen gehörte, die Verdächtigen ohne Umschweife summarisch nach Sibirien zu verschleppen – vorausgesetzt, dass sie nicht vom Fleck weg ermordet, oder wie es die Amnesty International formulieren würde, aussergerichtlich hingerichtet wurden.

In der alten Bundesrepublik Deutschland wurde das osteuropäische Kriegserlebnis vor allem von den Heimatvertriebenen vertreten. Da ihre an und für sich menschlich verständliche Verbitterung auf die neuen Machthaber in ihrer alten Heimat oft unbequeme und in einer sich von der Hitlerei distanzierenden Demokratie kaum geeignete (oder um einen heutigen Modeausdruck zu verwenden: “politisch inkorrekte”) Formen annahm – etwa das aus Frustration entspringende unvorsichtige Zurückgreifen zum “Wörterbuch des Unmenschen” – zu Argumenten und rhetorischen Künsten, die als rassistisch oder pro-nazistisch interpretiert werden konnten (und mit der Logik der politischen Polemik auch so interpretiert wurden), tendierten linke Intellektuelle und Kulturschaffende, die Vertriebenen schlechthin als Überbleibsel der NS-Jahre zu diffamieren. Da die organisierten Heimatvertriebenen spätestens seit Brandts Ostpolitik zum ausschliesslichen Stimmvieh der CDU/CSU wurden, verkam die Vertriebenenszene von der Umwertung aller Werte Ende der 60er Jahre an zu einer eher marginalisierten Subkultur, die weitgehend als überholt, rechtsextremistisch oder kulturell unproduktiv und fruchtlos abgetan wurde. Die Sowjetunion schien ewig, Träume von der Rückkehr in die alte Heimat waren im Zeitalter der Atombombe schlimmstenfalls ein Flirt mit dem Massentod. Kein Westdeutscher war bereit, in einem dritten Weltkrieg zu sterben, den die Heimatvertriebenen – so mag es vielen in den achtziger Jahren erschienen sein – ihrer schlesischen Dörfer wegen entfachen wollten.

Horst Bienek vertritt das osteuropäische Kriegserlebnis durch seine ganze literarische Produktion und seine Lebenserfahrung: als Oberschlesier aus Gleiwitz musste er zunächst seine Heimat nach der Einführung der polnischen Verwaltung dort verlassen, aber da er sich als junger Poet bald in den Augen der sowjetischen Besatzungsmacht verdächtig machte, wurde er von einem Militärgericht verurteilt und nach Sibirien abgeschoben, woher er erst Jahre später nach Deutschland – diesmal in die Bundesrepublik – repatriiert wurde. Bieneks westdeutsches Oeuvre begann mit genreüberschreitenden, experimentierenden Werken über seine Erfahrungen in sowjetischen Gefängnissen, aber um das Jahr 1970 herum ist er zu epischen Prosawerken über die oberschlesische Heimat übergegangen. So ist es die oberschlesische Tetralogie (Die erste Polka, Septemberlicht, Zeit ohne Glocken, Erde und Feuer) entstanden, die den Gegenstand der vorliegenden Arbeit darstellt; als der Schriftsteller an diesem Grossprojekt arbeitete, brachte er es noch fertig, einige Werke kleineren Umfangs zu verfassen, die mit derselben Thematik zusammenhängen, so etwa der Roman Königswald oder die letzte Geschichte, das Gedicht Baracke Deutschland oder die Materialien- und Kommentarbände zur Tetralogie, etwa Reise in die Kindheit – Wiedersehen mit Schlesien.

Horst Bieneks oberschlesische Tetralogie kann als ein Versuch verstanden werden – zumal da die ersten zwei Bände schon in den 70er Jahren zum erstenmal veröffentlicht worden sind – den Heimatroman über den verlorenen Osten, künstlerisch und intellektuell zu rehabilitieren. Obwohl Bienek keinesfalls ein Linker war, distanzierte er sich von der Deutschtümelei, indem er die Rhetorik der linken Skepsis gegenüber der Bundesrepublik übernahm, wie wir etwa in Baracke Deutschland nachlesen können:

“O Deutschland […] immer wieder hab ich Schutz gesucht in deinem Haus, nun haben wir es neu aufgebaut […] aber machen wir uns nichts vor, es ist provisorisch, eine Baracke – wie lange halt sie stand? Und du sitzest darin, janusköpfig, nach Ost und West blickend […]. Ich geb’s zu: ich trau dir nicht. (Nur in deiner Sprache fühl ich mich zu Haus.)”

“[…] Sah das Volk im Oktoberfestzelt, ein Volk von Kapos, wo die eine Hälfte darauf lauert, die andere Hälfte hinter die Stacheldraht zu bringen […]”

“’Ich liebe mein Land. Ich liebe mein Volk. Ich liebe meine Heimat.’ Tschechow. Warum kommen solche Sätze nur als Zitat über meine Lippen?”

Ebensowenig kann sich Bienek mit der organisierten Heimatvertriebenenbewegung identifizieren:

“[I]n den Messehallen von Hannover, wo die übriggebliebenen Schlesier zusammenkommen, hängt die Transparente: Schlesien bleibt unser. Die Leute spazieren herum, treffen sich, reden miteinander, erinnerm sich an das, was einmal war, weit im Osten. Sie halten sich immer noch für unpolitisch. Sie können gar nicht verstehen, warum dieses ihrer Meinung nach harmlose Motto einen solchen Wirbel angerichtet hat. Sie sind für diese Parole. […] Meine Schwester Traut ist ebenfalls in Hannover gewesen. Sie hat zugehört. Sie hat mitgeklatscht. Sie war immer unpolitisch, wie sie meinte, und diese Parole habe doch nichts mit Politik zu tun. Einmal fragte sie mich: warum sollen nur wir den Krieg verloren haben?”

“Heute wissen wir alles besser. Heute wissen wir alles ein wenig genauer. Ihr habt euch herausgehalten, damals. Ihr wart keine Täter. Aber vielleicht doch Mitahner, Mitwisser, Mittäter? Zu den Kindern habt ihr nicht darüber gesprochen. Aber habt ihr euch selbst auch mal Fragen gestellt? Oder kamen die Fragen erst auf, als ihr, nur mit einem Koffer in der Hand, euch in einem Flüchtlingslager im Westen wiederfandet?”

Bieneks Kritik an der Vertriebenenbewegung richtet sich gegen deren egoistische Gleichgültigkeit gegenüber anderer Völker Leiden, gegen die Tendenz, sich selbst als einzige Kriegsopfer (“nur wir haben den Krieg verloren”) zu empfinden und etwa den Völkermord an den Juden aus dem eigenen Bewusstsein auszuschliessen. Bienek versucht die Tragik des Heimatverlustes keinesfalls zu verneinen, aber zeigt auch Verständnis für die Sehweise, die die Vertreibung als verdiente Strafe für die Mittäterschaft deutscher Bevölkerungen im Osten an der NS-Unterdrückung der Slaven und an der Judenvernichtung interpretiert – wenn nicht direkt als verdiente Strafe, so wenigstens als unvermeidliche Reaktion. Wie die letzten Seiten – und die letzten Worte - der Tetralogie zeigen, versteht er auch durchaus die Verankerung der Verbitterung, die die Vertriebenenbewegung in Gang hält, in wirklichen Leiden und in wirklichem Unrecht. Während Bienek gegen jede zuckersüsse Idealisierung des Lebens im alten Oberschlesien methodisch vorgeht und auch den Opportunismus und das Kollaborantentum des Oberschlesiers in den NS-Jahren nicht verhehlt, zeigt er, dass die oberschlesische Lebensform und Volkskultur als funktionierender Kompromiss zwischen polnisch und deutsch ihre Vorteile hatte und somit an und für sich eine Totenmesse wert ist. Hierdurch reflektiert er auch über die Bedeutung solcher Slogans wie “Schlesien bleibt unser”: ist “unser” hier wirklich gleich “deutsch”?

Als Bienek seine Tetralogie zu schreiben anfing, war Europa immer noch in zwei gegenseitig feindliche Blöcke aufgeteilt und die bundesdeutsche Vertriebenenbewegung konnte jede Forderung, sich mit der Oder-Neisse-Grenze abzufinden, als sowjetische Machtpolitik abtun. Da Polen damals sowjetischer Besitz war, konnte die Verewigung dieses Grenzverlaufes mit ewigem Heimkehrverbot für die Vertriebenen und ihre Nachfahren gleichgestellt werden. Wenn linke Kräfte in der alten Bundesrepublik die grenzrevisionistischen Ambitionen der Vertriebenen mit einem Hinweis auf die Leiden der unschuldigen Polen in deutschen Händen im Zweiten Weltkrieg tadelten, konnten die Vertriebenen die Rüge damals leicht parieren, indem sie die polnischen Leiden als Vorwand der sowjetischen Kommunisten zurückwiesen: die Polen waren schliesslich als Verhandlungspartner entmächtet.

Heute sieht alles anders aus. Polen ist wieder frei und bereitet sich auf die EU-Mitgliedschaft vor: Deutsche und Polen haben keine grossmachtpolitischen Ausreden mehr, sich gegenseitig nicht vertragen zu wollen. Den Vertriebenen und ihnen nahestehenden Kreisen in Deutschland tun sich neue Möglichkeiten zum Kompromiss mit Polen auf. Der Heimatverlust ist nicht mehr so absolut wie in den siebziger Jahren, und eine dauerhafte Rückkehr nach Schlesien ist auch ohne Rückerstattung der Ostgebiete denkbar geworden.

Unter diesen Umständen kann Bieneks Kunst des kritischen Heimatromans an Aktualität nur gewinnen. Polen und Deutsche können ihr gegenseitiges Verhältnis endlich unabhängig von der Politik der Machtblöcke und Grossmächte definieren. Der Nationalstaat scheint im Begriff dahinzuschwinden, und gemischte Identitäten werden wieder verbreitet und akzeptiert – auch im polnisch-deutschen Grenzland. Diese Entwicklung wird neue Generationen erziehen, denen die Thematik der oberschlesischen Tetralogie viel näher liegen wird als je den Zeitgenossen des Schriftstellers. Deshalb müssen wir Bienek lesen und analysieren.

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